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Bürger- und Patientenbeteiligung im Gesundheitssystem


2. Teil: Eine Bestandsaufnahme und strategische Perspektiven in Österreich



A.o. Univ.-Prof. Dr. Rudolf ForsterDer Autor:

Univ.-Prof. (i.R.) Dr. Rudolf Forster


arbeitete bis 2013 als Professor am Institut für Soziologie der Universität Wien und am Ludwig Boltzmann Institut Health Promotion Research in Wien. Seine aktuellen Forschungstätigkeiten setzen die langjährige Beschäftigugn zur Bürger- und Patientenbeteiligung im Gesundheitssystem sowie zu gesundheitsbezognenen Selbsthilfevereinigungen fort.


KURZFASSUNG


Hintergrund

In der Steuerung des österreichischen Gesundheitssystems sind Bürger-, Versicherten- und Patienteninteressen traditionell und überwiegend nur mittelbar über allgemeine politische Wahlen und Wahlen von Interessenvertretungen repräsentiert. Das steht im Einklang mit einer politischen Kultur, in der das Verhältnis zwischen Politik und staatlicher Bürokratie einerseits und Zivilgesellschaft andrerseits generell zugunsten der ersteren verschoben ist und gerade im Gesundheitssystem eine paternalistische Kultur weitgehend intakt ist.


Inhalt

Vor diesem Hintergrund wird zunächst eine Bestandsaufnahme über neuere Programme und Strategien zur Partizipation sowie über aktuelle Umsetzungsversuche von Bürger- und Patientenbeteiligung im österreichischen Gesundheitssystem vorgelegt. Davon ausgehend wird skizziert, wo und wie eine erweiterte gesundheitspolitische Strategie der Bürger- und Patientenbeteiligung ansetzen könnte und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig wären.


Hauptergebnisse

Erst in jüngster Zeit wird kollektive Partizipation in Österreich als neues Steuerungselement des Gesundheitssystems sowohl von staatlicher und parastaatlicher Seite (top down) programmatisch forciert als auch von Bürgern/-innen und organisierten Patienten (bottom up) gefordert. In der Praxis lassen sich aber nicht mehr als ein paar unsystematische partizipative „Einsprengseln“ in einer noch weitgehend intakten, Stakeholder-dominierten Entscheidungskultur festmachen, die weit von einer kohärenten Gesamtstrategie entfernt ist. Ein Diskussionsvorschlag skizziert am Beispiel von sieben Bereichen, wo diese ansetzen und was sie beinhalten könnte und welche rechtlichen, finanziellen, organisatorischen und technischen Voraussetzungen dafür benötigt werden.


Schlussfolgerungen

Bei einem entsprechenden politischen Commitment der drei hauptsächlichen Stakeholder Bund, Länder und Sozialversicherung für Bürger- und Patientenbeteiligung ließen sich rasch erste Schritte setzen. Die Umsetzung einer umfassenden Strategie benötigt aber selbst unter guten Voraussetzungen mindestens ein, wahrscheinlich bis zu zwei Jahrzehnte. Geduld, Beharrlichkeit und Bereitschaft zum Lernen aus Erfahrung werden gefordert sein, um Bürger- und Patientenbeteiligung von einer Randerscheinung zu einer erkennbaren und geschätzten Trademark des österreichischen Gesundheitssystems zu machen.


Zuletzt aktualisiert am 14. November 2020